Geschichtszoff in Schwabach: „Unwahrheiten verbreitet“

Geschichtszoff by MADDERS

Es rauschte sogar im Schwabacher Blätterwald, im “ST” vom 7. Juni (“Märchenstunde am Pinzenberg”), ein wenig. Ele Schöfthaler, Organisatorin des Hinterhoftages am 9. Juni am Pinzenberg und Managerin diverser sozialer Einrichtungen in Schwabach, skizzierte Schwabachs Heldin Anna Wolf in ihrer Info-Zeitung zum Hinterhoftag überaus selbstbewusst und emanzipiert. Zudem unterstrich Ele Schöfthaler ihre Meinung, dass die Schwabacher Heldin im Dreißigjährigen Krieg den Schwabacher Bürgermeister Driller vor den Truppen Wallensteins in den Kellern am Pinzenberg versteckte.  Aufgrund der vorhandenen historischen Abschriften von Anna Wolfs autobiographischen Schilderungen,  die selbst nur von der Mühle als Versteck spricht, widersprach mit der Stadtheimatpflegerin auch Schwabachs  Historikerin, Stadträtin und erfolgreiche Mittelalter-Buchautorin Sabine Weigand. Deshalb gab es im Vorfeld der Veranstaltung Kritik an Schöfthaler,  bei  der diese der  Geschichtsfälschung “Märchenstunde am Pinzenberg” (Sabine Weigand) bezichtigt wurde.

Um die Gedanken von Sabine Weigand besser verstehen zu können, kann hier der interessierte Leser den zum  ST geschickte Leserbrief  in voller Länge nachlesen.

 

Las Else Schöffthaler die Geschichtsleviten: Histoikerion Sabine Weigand. Foto: ertlein
Las Ele Schöfthaler, im Bild unten mit der Gattin des bayerischen Ministerpräsidenten Monika Seehofer und die von Candida Löslein gespielte „Anna Wolf“, die Geschichtsleviten: Historikerin Sabine Weigand. Foto: Hertlein

schoeft3 - Foto Hertlein

 

Märchenstunde am

Pinzenberg

Oder: Darf Geschichte verfälscht werden?

Anlässlich des Hinterhof- und Kellertags ist auch heuer wieder eine Broschüre von Ele Schöfthaler herausgegeben worden. Eine Seite davon widmet sie der Schwabacher Stadtheldin Anna Wolf und den Kellern. Über diese Frau kann man sehr wohl gesicherte Aussagen machen. Diese müssen zwangsläufig auf die Basis der einzigen uns erhaltenen zeitgenössischen Quelle zurückgreifen, nämlich ein Fragment der selbstverfassten Lebenserinnerungen der Anna Wolf, eine autobiographische Schilderung jener Tage im Dreißigjährigen Krieg. Wie sich aus den Texten der Broschüre zum “Hinterhof- und Keller-Tag“ deutlich ergibt, kennt Frau Schöfthaler diese Quelle – umso unverständlicher, dass sie dennoch historische Unwahrheiten verbreitet. Alles, was sich in dem Schriftfragment nicht belegen lässt – so wird z.B. tatsächlich behauptet, Wolf sei eine „Seherin“ gewesen, sie habe Bier in den Pinzenberg-Kellern gelagert usw. , gehört in den Bereich reiner Spekulation. Auch ist unzweifelhaft gesichert, dass Anna Wolf Bürgermeister Driller in der Untermühle versteckt hat und nicht in den Kellern. Die Behauptung, die Schwabacher Bürgerinnen und Bürger hätten sich während der Einnahme der Stadt durch die Truppen der katholischen Liga in den Kellern am Pinzenberg versteckt, ist ebenfalls schlicht aus der Luft gegriffen. Wir wissen aus den Quellen, dass sich die Bevölkerung, wie damals üblich, in die Kirchen der Stadt geflüchtet hatte. Ein heiliges Haus unter dem Schutz des Allmächtigen war für die Menschen eine größere Hoffnung in der Not als ein Bierkeller.

Nun könnte man sich die Frage stellen, was denn schon so bedeutsam an falschen Gedankengängen ist, die eine Figur betreffen, die vor hunderten von Jahren gelebt hat. Nicht viel, solange man diese Gedankengänge ehrlich als Fiktion kenntlich macht. Nicht viel, solange man nicht vorgaukelt, man vermittle Tatsachen. Dies ist jedoch hier leider der Fall.

Geschichte dient verschiedenen Zwecken. Beispielsweise kann sie unterhalten, etwa wenn historische Szenarien die Kulisse für Erzählungen bilden. Kenntnis und Vermittlung geschichtlicher Zusammenhänge erfüllen jedoch auch eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe u.a. dadurch, dass auf ihrer Grundlage Zukunft gestaltet werden kann. Um diese Wirkung entfalten zu können, ist es unerlässlich, dass sich Geschichtsvermittlung anhand der Quellenlage eng an den historischen Gegebenheiten orientiert und diese auf gesicherter Grundlage interpretiert. Sie muss daher klar von der unterhaltenden Funktion unterschieden werden, um glaubwürdig zu sein und so ihre Funktion erfüllen zu können.

Der Schaden, der durch diese Broschüre entsteht, liegt genau auf dieser Ebene, nämlich derjenigen der Glaubwürdigkeit. Es werden damit zum einen die soliden Bemühungen der Stadtgeschichtsforschung seit Jahrzehnten infrage gestellt. Welchen Wert haben denn noch die kürzlich von der Stadt herausgegebene Publikation über die Machtergreifung der NSDAP 1933 oder die Dokumentation „vergessen und verdrängt“ über Schwabachs Geschichte in der NS-Zeit, wenn in anderen historischen Fragen der Unwahrhaftigkeit die Hand gereicht wird? Wenn jeder die Vergangenheit so „verkaufen“ kann, wie es ihm in den Kram passt? Ganz abgesehen davon, dass Anna Wolfs mutiges Verhalten eine wahrhafte Heldentat war und weder aufgebauscht noch in falschem Licht dargestellt werden muss, um auch uns Heutigen Bewunderung zu entlocken. Das hat Anna Wolf nicht verdient.

Wenn man also zum Tag des offenen Hinterhofs – im Übrigen eine Veranstaltung mit schöner Tradition, der auch heuer viel Erfolg zu wünschen ist – über geschichtliche Hintergründe informieren will, so sollte man dies aus der Verantwortung für unsere Historie und unsere Stadt heraus tun. Geboten ist die Orientierung an der Quellenlage; eine Vermischung mit Wunschbildern und fiktiven Vorstellungen ist nicht legitim. Das kann niemand wollen.

Der Geschichts- und Heimatverein bedauert daher sehr, dass sich Frau Schöfthaler in ihren Darstellungen über Anna Klein, verwitwete Kohler, geborene Wolf, nicht an die historischen Fakten gehalten hat. Der Leser kann nicht erkennen, dass die Schilderung von Frau Schöfthaler weitgehend in ihrer Fantasie entstanden ist und sie so ein verfälschtes Bild ihrer Heldin zeichnet. Der gesellschaftlichen Aufgabe der Geschichtsforschung und auch der Stadt Schwabach und ihren Bürgern wird so jedenfalls kein Dienst erwiesen.

Dr. Sabine Weigand für den Vorstand des Geschichts- und Heimatvereins Schwabach